Ein unterschätztes Thema für die reisemedizinische Beratung
Die Reisemedizin ist fächerübergreifend und bedarf einer mehrdimensionalen Sichtweise auf medizinische Themen über das eigene Fachgebiet hinaus.
Ein Thema, welches oft unterschätzt wird, ist das Thema Giftschlangen. Ein Großteil der Deutschen lieben das Reisen; auch in weitentfernte Gebiete der Erde. Hierbei ist zu bemerken, dass Schlangen in nahezu jeder Region der Erde (ausgenommen die Polarregionen) vorkommen.
Einige Länder/ Regionen sind frei von Giftschlangen:
Irland, Island, Kanarische Inseln, Balearen, Kapverden, Korsika, Sardinien, Kreta, Madagaskar, Neuseeland, Hawaii, Chile, Westindische Inseln
(Achtung Ausnahmen: Trinidad, Tobago, Saint Lucia, Martinique!!!)
Loyality-Islands, Neu-Hebriden, Polynesien.
[Quelle 1: D. Mebs, „Gifttierunfälle auf Reisen“, Flug- und Reisemedizin 13(3) 11-14 2006]
Es ist daher wichtig den Reisenden auch mit dem Thema Giftschlagen während der reisemedizinischen Beratung zu konfrontieren und auf eventuelle Gefahren mit dieser Spezies hinzuweisen. Es gibt ca. 2700 uns bekannte Schlangenarten auf der Erde. Etwa 1/5 dieser sind giftig und können auch ein Risiko auf Reisen für die reisende Person darstellen.
Die WHO berichtet, das pro Jahr ca 4,5 bis 5 Millionen Menschen weltweit von Schlangen gebissen werden. Davon zeigen 1,8 bis 2,7 Millionen klinische Symptome und 80 000 bis 130 000 sterben an Komplikationen.
[Quelle 4: Steven A Seifert M.D., James O. Armitage M.D., Elda E. Sanchez Ph.D. „ Snakebite envenoming“ 6. Januar 2022 N Engl J Med 2022; 386:68-78 DOI: 10.1056/NEJMra2105228
Die meisten dieser Unfälle geschehen in Afrika, oder auf dem asiatischen Subkontinent, in Ländern z.B. wie Indien.
Schlangen sind faszinierende und schützenswerte Tiere, die für die natürliche Diversität eine enorme Rolle spielen.
Dennoch besteht, wenn auch gering, eine gewisse Gefahr für Reisende. Vor allem Individualreisende (Trekking-Enthusiasten, Off-Road-Sportler, Extremwanderer etc.) haben ein deutlich höheres Risiko einen Schlangenkontakt zu erleben, als der Pauschalreisende. Daher ist die reisemedizinische Anamnese zur Reiseroute und das Reisevorhaben essenziell.
Schlangenbisse führen meist zu schweren psychischen und vor allem physischen Verletzungen, die ein komplexes Behandlungsregime nach sich ziehen.
Übersicht über wichtige Schlangenarten
Kreuzotter
Vipera berus, unsere einheimische Kreuzotter
Puffotter
Bitis arientans
Grubenotter
Texas-Klapperschlange (Crotalus atrox). Die Grubenottern verfügen über das Infrarot-empfindliche Grubenorgan (zwischen Auge und Nase) Beispiel: Lanzenotter, Klapperschlangen
Königskobra
Ophiophagus hannah
Grüne Mamba
Dentroaspis viridis
Lanzenotter
bothrops spec
Die Giftwirkungen
Je nach Spezies sind die Wirkweisen der Schlangengifte sehr unterschiedlich und sind, wie bereits oben beschrieben, sehr komplex zu behandeln.
Wir unterscheiden grob zwischen neurotoxischer-, kardiotoxischer-, gewebenekrotischer-, hämatotoxischer- und proteolytischer Wirkung.
Ein Schlangengift wirkt meistens als komplexe Substanz mit einer Kombination aus mehreren Giftarten, die in ihrer Komplexität zum Tode führen kann.
Die Behandlung von Giftschlangenbissen ist äußerst komplex.
Erste Hilfe Maßnahmen:
1. Schlange versuchen zu Identifizieren (Fotos oder möglichst genau das Aussehen merken)
2. Gebissene Person beruhigen
3. Bissstelle mit Uhrzeit markieren
4. Betroffene Körperstelle immobilisieren, von der Bissstelle aus nach proximal mit einer Binde, unter leichtem Zug, OHNE den Blutfluss zu unterbinden, umwickeln.
(Hierdurch wird der Lymphfluss an der betroffenen Stelle verlangsamt, ohne die Durchblutung zu unterbinden)
Diese Methode sollte eher nach Schlangenbissen durch die Gattung Elapidae angewandt werden (Neurotoxine)
[Quelle 3: S.K. Sutherland; Australian animal toxines. Oxford University Press, Melbourne (1983)]
Maßnahmen in der „professionellen“ Patientenversorgung
1. Identifikation der Schlange
Um Schlangen gut identifizieren zu können gibt es die Möglichkeit die Dataplattform der WHO zu nutzen. Siehe Link:
Snakebite Informations- und Datenplattform (who.int)
Hier werden Schlangen nach Aussehen und Herkunft sowie der medizinischen Bedeutung gellistet.
2. Rascher aber schonender Transport des Patienten zum Unfallzentrum
3. Bereitstellung eines Antidots in einem Zentrum
4. Evaluation der Antidotgabe
5. Vorbereitung der intensivmedizinischen Maßnahmen (Vorhalten von Vasopressin, Kortison, O2, Großlumige Zugänge/zentralvenöser Zugang, Intubation vorbereiten, ggf Blutbetsandteile (Gerinnungsfaktoren/Thrombozytenkonzentrate, Erythrozythenkonzentrate, Plasma etc) vorhalten, kristaloide Infusionslösungen und Albumin bereitstellen)
[Quelle: Auerbach Wilderness medicine Volume 1 (743) hospital care Pit vipers initial management]
6. Applikation des spezifischen Antidots unter intensivmedizinischen Kautelen.
7. Sekundäre Behandlung mittels Wundmamagement (Debridement, Fasziotomie und Analgesie)
Bei rechtzeitiger Behandlung eines Schlagenbisses , ist die Prognose recht gut.
Das Aussaugen, Ausbrennen oder Behandeln der Bissstelle mit Kräutern wird aus medizinischer Sicht nicht empfohlen. Hierfür gibt es keinerlei Evidenz.
Im Handel werden sogenannte Snake-Bite-emergency-kits angeboten. Diese sind aus bereits oben erwähnten Gründen nicht zu empfehlen .
nicht zu empfehlen!!!!!!!
Es ist von besonders wichtig zu erwähnen, dass der Mensch nicht zur Beute einer Giftschlage zählt. Die Schlangen versuchen sich nur, in einer für ihr Leib und Leben gefährlichen Situation, zu verteidigen.
Schlangenbisse beim Menschen sind also IMMER ein Unfall, ausgelöst durch nicht umsichtiges Verhalten des/der Reisenden!!!!!
Was ist also die Essenz für unsere reisemedizinische Beratung?
Machen Sie den Reisenden bewusst, dass ihnen Schlangen auf ihrer Reise begegnen könnten.
Klären Sie Die Reisenden über die sich dort befindlichen Spezies auf.
Der Unfall durch einen Schlangenbiss ist vermeidbar. Zum Beispiel sollte man es vermeiden in Gruben, Gestrüpp oder in nichteinsehbare Erdlöcher zu fassen.
Sensibilisieren Sie die Reisenden, und das gilt ja eigentlich für alle Themen und Reisen in eine fremde Kultur, umsichtig zu sein und diese wunderbaren, sowie für die Natur unersetzbaren Tiere, respektvoll und mit Abstand zu begegnen.
Bleiben Sie gesund!